Ihr Geld verdient mehr. AUSGABE 21 Mai 2025 Erbengemeinschaft – Kompliziertes Konstrukt mit Konfliktpotenzial JPC-PROD / Shutterstock.com
Ausgabe 21 / Mai 2025 2 Erbengemeinschaft - Kompliziertes Konstrukt mit Konfliktpotenzial Von Annette Jäger Andrii Yalanskyi/ Shutterstock.com Manchmal zwingt einem das Leben eine Gemeinschaft auf, in der man möglicherweise nie sein wollte. Die Erbengemeinschaft ist so ein typischer Fall. Sobald zwei Personen erben, bilden sie eine Erbengemeinschaft. Das muss der Erblasser nicht mal in seinem Testament so verfügt haben – nein, das Gesetz sieht vor, dass diese Gemeinschaft automatisch nach dem Tod des Erblassers oder der Erblasserin entsteht. Auf diesem Wege kommt es zu manchmal kuriosen Verbindungen: Diverse nahe und ferne Familienmitglieder müssen sich plötzlich gemeinsam um den Nachlass kümmern und Einigkeit erzielen, ob sie in inniger Verbindung stehen oder nicht. Es können zwei Personen, aber auch 20 Personen eine Erbengemeinschaft bilden – auch Freunde, Bekannte, der Tierschutzverein, gar fremde Personen können darunter sein, falls der Erblasser dies in seinem Testament verfügt hat. Dass eine derartige Gemeinschaft mitunter sehr streitanfällig ist, kann man sich gut vorstellen. Eine Erbengemeinschaft hat das Zeug, selbst die harmonischsten Familienverhältnisse auf den Kopf zu stellen. Wir haben das juristische Konstrukt der Erbengemeinschaften genau angeschaut und die wichtigsten Aspekte herausgearbeitet. Lesen Sie, was eine Erbengemeinschaft genau ist, welche Regeln gelten, wie man sie auflöst und auch, wie man sie vermeiden kann. Schließen können auch Sie ganz schnell in einer solchen Gemeinschaft landen! Konstrukt mit strengen Regeln und Streitpotenzial
Ausgabe 21 / Mai 2025 3 Erbengemeinschaft - Kompliziertes Konstrukt mit Konfliktpotenzial Was ist eine Erbengemeinschaft und was ist zu beachten? Eine Erbengemeinschaft entsteht automatisch, wenn eine verstorbene Person – der Erblasser oder die Erblasserin – mehr als einen Erben hinterlässt. Das kann sowohl passieren, wenn die verstorbene Person ein Testament aufgesetzt hat und viele Erben einsetzt, aber auch wenn es kein Testament gibt. Das Gesetz sieht vor, dass mehrere Erben – die Zahl ist beliebig groß – automatisch eine Erbengemeinschaft bilden. Alle Erben werden also gemeinsam Eigentümer des gesamten Nachlasses. Das bedeutet, dass zum Beispiel Sie als Miterbe oder Miterbin nicht sofort Ihren individuellen Anteil erhalten, sondern Sie müssen sich gemeinsam mit den anderen Miterben um die Verwaltung und Aufteilung des Erbes kümmern. Ziel der Erbengemeinschaft ist es, das Erbe untereinander aufzuteilen. Die Aufteilung der Erbmasse wird häufig in einem sogenannten Erbauseinandersetzungsvertrag festgehalten. Sobald dies geschehen ist, löst sich die Erbengemeinschaft wieder auf. Doch der Weg dahin ist oft steinig. Erbengemeinschaften haben natürlich ihre Vorteile: Wenn zum Beispiel in einer Familie zwei Kinder gleichbehandelt werden und deshalb zu gleichen Teilen erben sollen und das Erbe vor allem aus Bankvermögen besteht, das einfach zu teilen ist. Doch in der Praxis sind Erbengemeinschaften eher konfliktanfällig, weil mehrere Personen mit unterschiedlichen Interessen und Vorstellungen über die Nutzung und Verwaltung des Nachlasses gemeinsam Entscheidungen treffen müssen. Während ein Erbe schnell sein Geld erhalten möchte, möchte ein anderer das Erbe vielleicht erhalten und bewahren. Problematisch wird es vor allem dann, wenn es um Immobilien oder wertvolle Gegenstände geht, die nicht einfach aufgeteilt werden können. Emotionale Bindungen an bestimmte Nachlassgegenstände, bestehende familiäre Konflikte oder unterschiedliche finanzielle Situationen der Erben können die Entscheidungsfindung zusätzlich erschweren. Lesen Sie in den folgenden Abschnitten noch mehr über die Konfliktstoffe, die Erbengemeinschaften bieten. Erbengemeinschaften müssen viele Entscheidung einstimmig treffen, manchmal genügt auch ein mehrheitlicher Beschluss. Aber langwierige Diskussionen, oft sogar gerichtliche Auseinandersetzungen sind oftmals Begleiter einer solchen Gemeinschaft. Fallbeispiel: Drei Geschwister, Anna, Ben und Carla, erben gemeinsam das Vermögen ihrer verstorbenen Mutter. Dieses besteht aus einer Immobilie, einem Bankkonto und persönlichen Wertgegenständen. Da sie eine Erbengemeinschaft bilden, müssen sie gemeinsam über die Nutzung und Aufteilung der Nachlasswerte entscheiden. Anna möchte die Immobilie verkaufen, um ihr Erbe schnell ausgezahlt zu bekommen. Ben hingegen will das Haus behalten und vermieten, um regelmäßige Einnahmen zu haben. Carla hängt emotional an dem Haus, da es ihr Elternhaus ist, und möchte es selbst nutzen. Da alle drei sich einigen müssen, kommt es zu Konflikten, die das Erbe über Monate oder sogar Jahre blockieren können.
Ausgabe 21 / Mai 2025 4 Erbengemeinschaft - Kompliziertes Konstrukt mit Konfliktpotenzial So teilt die Erbengemeinschaft den Nachlass auf Wer hat das Sagen in einer Erbengemeinschaft? In einer Erbengemeinschaft haben alle Erben ein Mitspracherecht und zwar unabhängig davon, wie hoch ihr Erbanteil ist. Das ist genau der Punkt, der eine Erbengemeinschaft so komplex macht! Die Erbengemeinschaft hat die Aufgabe, die Erbmasse zu verwalten und unter den Erben zu verteilen. Eine Verwaltung ist zum Beispiel dann nötig, wenn zur Erbmasse eine vermietete Immobilie gehört. Solange, bis die Erbmasse aufgeteilt ist, ist die Immobilie natürlich weiter zu verwalten: Mietverträge zu führen, Nebenkosten abzurechnen, Reparaturen auszuführen und vieles mehr. Bei Verwaltungsangelegenheiten genügt es häufig, wenn sich die Erben mehrheitlich einig sind. Kommt es zur Aufteilung des Erbes, müssen Beschlüsse einstimmig gefasst werden, also etwa, ob die Immobilie verkauft werden soll. Die Erbquote: So verteilt sich das Erbe bei einer Erbengemeinschaft Nicht alle Erben in einer Erbengemeinschaft erben zwangsläufig zu gleichen Teilen. Die Erbquote bestimmt, wie viel jeder Erbe und jede Erbin vom Nachlass erhält. Entweder haben Erblasser oder Erblasserin dies in seinem Testament bestimmt oder – wenn kein Testament vorliegt – es gilt die gesetzliche Erbfolge. So haben zum Beispiel Ehepartner, Kinder und Enkel Vorrang vor weiter entfernten Verwandten. Benötigt eine Erbengemeinschaft einen Erbschein? Erben müssen nachweisen, dass sie rechtmäßige Erben sind. Sonst erhalten sie weder Zugriff auf Bankkonten, noch können sie Verträge auflösen oder gar eine Immobilie veräußern. Einen solchen Nachweis erbringt ein Erbschein. Er ist ein amtliches Dokument, das die Erben legitimiert und ihnen erlaubt, über den Nachlass zu verfügen. Ob er notwendig ist, hängt von der Situation ab: Bei Bankkonten, Immobilien oder Grundbesitz wird er in der Regel benötigt. Manchmal genügt auch eine notarielle Vorsorgevollmacht, die der Erblasser vor seinem Tod unterschrieben hat und die über den Tod hinaus gelten muss. Grundsätzlich kann für die gesamte Erbengemeinschaft ein gemeinsamer Erbschein ausgestellt werden, der alle Erben samt ihrer Erbquoten aufführt. Alternativ kann jeder Miterbe auch einen Teilerbschein beantragen, der lediglich seinen eigenen Anteil am Nachlass bescheinigt. Allerdings enthält ein Teilerbschein keine Informationen über die anderen Miterben und ihre Quoten. Die Kosten für den Erbschein richten sich nach dem Gesamtwert des Nachlasses. In der Regel teilen sich die Miterben die Kosten anteilig entsprechend ihrer Erbquote. Wird der Erbschein jedoch nur von einem Erben beantragt, kann er die anderen Miterben zur anteiligen Erstattung der Kosten auffordern. Beispiel: Die drei Geschwister aus dem obigen Beispiel, Anna, Ben und Carla, erben gemeinsam ein Vermögen im Wert von 300.000 Euro. Die Gebühren für den Erbschein betragen nach der aktuellen Gebührenordnung beispielsweise 870 Euro. Falls Anna den Erbschein alleine beantragt, kann sie Ben und Carla dazu auffordern, jeweils ein Drittel der Kosten zu übernehmen. Weigern sie sich, müsste Anna die Summe zunächst selbst zahlen und möglicherweise auf dem Rechtsweg eine Kostenerstattung durchsetzen.
tale/ Shutterstock.com Ausgabe 21 / Mai 2025 5 Erbengemeinschaft - Kompliziertes Konstrukt mit Konfliktpotenzial Aufteilung des Erbes: Nachlasswert ermitteln Im ersten Schritt ist es wichtig, sich einen Überblick zu verschaffen, was der Nachlass alles umfasst und ob möglicherweise noch Schulden zu tilgen sind. Der Nachlass umfasst alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen. „Ein weitverbreiterter Irrglaube ist, das Nachlassgericht komme auf die Erben zu und präsentiere eine Liste, was alles zur Erbmasse gehört. Tatsächlich ist es Aufgabe der Erben, dies zu übernehmen“, betont Gesa Modersohn, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Erbrecht. Zum Nachlass gehören (Beispiele): ` Immobilienbewertung durch einen Gutachter oder anhand des Bodenrichtwerts. ` Bank- und Wertpapierguthaben zum Stichtag des Erbfalls. ` Sachwerte wie Schmuck, Kunst oder Fahrzeuge, deren Wert durch Schätzungen oder Marktvergleiche ermittelt wird. ` Verbindlichkeiten des Erblassers wie Schulden oder offene Rechnungen, die vom Nachlasswert abgezogen werden. Oftmals führt die Wertermittlung selbst bereits zu Streitigkeiten, insbesondere wenn subjektive Werteinschätzungen eine Rolle spielen. Es empfiehlt sich, neutrale Experten hinzuzuziehen, um objektive Bewertungen zu erhalten. Erbengemeinschaft: Wie lässt sich Sachvermögen teilen? Vermögen, das in Form von Bankkonten besteht, lässt sich leicht unter Erben aufteilen. Doch wie sieht es mit Sachwerten aus – zum Beispiel wertvolle Gemälde oder Schmuck – die sich nicht einfach in Geldbeträgen festzurren lassen? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Sachvermögen unter den Erben gerecht aufzuteilen: ` Zuteilung einzelner Gegenstände: Wenn sich die Erben einig sind, können bestimmte Erben bestimmte Gegenstände erhalten. Die Werte dieser Gegenstände werden mit dem Erbteil verrechnet. ` Verkauf und Erlösverteilung: Ist eine Einigung auf eine Verteilung nicht möglich, können Sachwerte verkauft und der Erlös nach Erbquoten verteilt werden. ` Ausgleichszahlungen: Wenn ein Erbe einen wertvollen Gegenstand erhält, kann er die anderen Erben anteilig auszahlen. ` Pfandverkauf: Wenn keine Einigung erzielt werden, kann, bleibt nur der Pfandverkauf, das heißt die gerichtliche Zwangsversilberung der Nachlassgegenstände
Ausgabe 21 / Mai 2025 6 Erbengemeinschaft - Kompliziertes Konstrukt mit Konfliktpotenzial www.biallo.de/bibliothek In unserem Archiv finden Sie weitere hochwertige Ratgeber zu verschiedenen Themen: • Geldanlagen • Immobilien • Altersvorsorge • Konten & Karten • Darlehen • Familie & Vorsorge • Sparen • Recht & Steuern Nur ein Klick Mit dem kostenlosen von biallo.de immer aktuell informiert! Newsletter
Ausgabe 21 / Mai 2025 7 Erbengemeinschaft - Kompliziertes Konstrukt mit Konfliktpotenzial Auflösung der Erbengemeinschaft: Der Erbauseinandersetzungsvertrag „Ziel einer Erbengemeinschaft ist in der Regel deren Auflösung, denn lange möchte man in dem sperrigen juristischen Konstrukt meist nicht verbleiben“, sagt Rechtsanwältin Gesa Modersohn. Die Pflicht, alle Entscheidungen über die Erbmasse einstimmig zu treffen, ist eine Herausforderung. Die Erbengemeinschaft wird aufgelöst, sobald der Nachlass verteilt ist. Geschieht dies in friedlicher Absprache, benötigen Erben nicht zwingend einen formellen Erbauseinandersetzungsvertrag. Ist die Aufteilung des Nachlasses jedoch konfliktreich, wird ein solcher Vertrag oft mit juristischer Unterstützung durch einen Anwalt oder einen Notar aufgesetzt, vor allem, wenn eine Immobilie Teil des Nachlasses ist. Bei einer Grundstückübertragung muss ein Notar den Vertrag beurkundet haben. Ein Erbauseinandersetzungsvertrag regelt die Aufteilung des Erbes. Alle Erben müssen zustimmen, damit der Vertrag gültig ist. Tipp: Häufig wünschen sich Erben, auf eine Mustervorlage eines Erbauseinandersetzungsvertrags zurückzugreifen. Das ist allerdings nicht zu empfehlen, denn jede Erbschaft ist höchst individuell. Eine Mustervorlage kann nur einen standardisierten Modellfall abbilden. Um einen Eindruck zu erhalten, wie so ein Vertrag grundsätzlich aussehen könnte, finden Sie einen Link am Ende des Textes. Auflösung der Erbengemeinschaft kein Muss Grundsätzlich sind die Erben nicht gezwungen, die Erbengemeinschaft aufzulösen. Sie können als Gesamthandsgemeinschaft auch am gemeinschaftlichen Eigentum und der gemeinschaftlichen Verwaltung des Nachlasses festhalten. Stirbt einer der Miterben, so geht sein Miterbenanteil auf seine Erben über, die dann gemeinsam seine Miterbenstellung in der Erbengemeinschaft übernehmen und gleichzeitig untereinander eine neue andere Erbengemeinschaft bilden. Gemeinsame Verwaltung des Erbes Solange das Erbe nicht aufgeteilt ist, müssen die Miterben es gemeinsam verwalten. Das bedeutet, dass sie mehrheitlich entscheiden müssen, wie mit Immobilien, Bankkonten oder Wertgegenständen umgegangen wird. Das ist häufig problematisch, denn die Erben haben oftmals unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie dies geschehen soll. Gerade bei Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen können langwierige Diskussionen entstehen. Ein weiteres Problem ist die finanzielle Verantwortung der Erben. So müssen laufende Kosten wie Grundsteuern, Instandhaltungskosten oder Hypothekenzahlungen gemeinsam getragen werden. Jeder Miterbe ist anteilig verpflichtet, sich an diesen Kosten zu beteiligen – auch wenn er selbst möglicherweise keine Nutzung des Nachlasses wünscht. Natürlich werden auch Einnahmen untereinander gemäß Erbquote geteilt. Grundsätzlich müssen alle Miterben die anfallenden Kosten anteilig nach ihrer Erbquote tragen. Das gilt für: ` Steuern und Abgaben (z. B. Grundsteuer bei Immobilien) ` Unterhalts- und Reparaturkosten für Immobilien ` Versicherungskosten (z. B. Gebäudeversicherung, Kfz-Versicherung bei geerbten Fahrzeugen) ` Verwaltungs- und Notarkosten Gibt es Streit darüber, ob eine Ausgabe notwendig ist, kann dies zu großen Konflikten führen. Lehnt ein Erbe oder eine Erbin es ab, seinen oder ihren Anteil an einer anstehenden Reparatur oder Steuerzahlung zu leisten, müssen die anderen
Renata Photography / Shutterstock.com Ausgabe 21 / Mai 2025 8 Erbengemeinschaft - Kompliziertes Konstrukt mit Konfliktpotenzial Erben entweder für ihn oder sie einspringen oder rechtliche Schritte einleiten, um die Zahlung durchzusetzen. Wenn ein Nachlass verwaltet wird, können Erträge aus Vermietung, Dividenden aus Aktien oder Zinsen aus Bankkonten anfallen. Diese Einnahmen müssen gemäß der Erbquote unter den Miterben aufgeteilt werden. Fallbeispiel: Die geerbte Immobilie muss instandgehalten werden. Anna und Ben möchten Geld für Reparaturen bereitstellen, Carla ist dagegen. Da eine Entscheidung einstimmig getroffen werden muss, kommt es zum Konflikt. Während Anna und Ben bereit sind, die Kosten zu tragen, weigert sich Carla, ihren Anteil beizusteuern. In diesem Fall haben Anna und Ben die Möglichkeit, Carla rechtlich zur Zahlung ihres Anteils zu verpflichten, was jedoch Zeit und Kosten verursacht und das familiäre Verhältnis weiter belasten kann. Alternativ könnten sie sich darauf einigen, Carlas Anteil vorläufig zu übernehmen und später mit ihrem Erbteil zu verrechnen. Immobilie geerbt: Wie teilt die Erbengemeinschaft? Gerade die Aufteilung von einer Immobilie führt im Erbfall häufig zu Streit in einer Erbengemeinschaft. Im Abschnitt weiter oben ist bereits angeklungen, dass die Erben unterschiedliche Vorstellungen davon haben können, wie mit der Immobilie verfahren wird. Grundsätzlich kann die Erbengemeinschaft beispielsweise ein Haus verkaufen, vermieten oder eine Auszahlung an einzelne Erben vornehmen. Versteigerung der Immobilie Können sich die Erben nicht auf eine Lösung einigen, bleibt oft nur eine Teilungsversteigerung durch das Amtsgericht. Dabei wird die Immobilie öffentlich versteigert – ähnlich einer Zwangsversteigerung – und der Erlös wird anschließend anteilig der jeweiligen Erbquote unter den Miterben aufgeteilt. Tipp: Eine Teilungsversteigerung ist oft mit finanziellen Verlusten verbunden, da Immobilien bei solchen Verfahren häufig unter Marktwert verkauft werden. Daher sollte sie als letzter Ausweg betrachtet werden, wenn keine andere Einigung möglich ist. Lesen Sie mehr zum Umgang mit Immobilien in einer Erbengemeinschaft in den beiden Ratgeber „Erbengemeinschaft: Streit um die Immobilienverwertung“ und in „Haus geerbt – was tun“. von biallo.de. Der Artikel „Haus vererben: Zu Lebzeiten vorsorgen – Streit vermeiden“ gibt Tipps, wie Sie eine Immobilie ohne Streit vererben, welche Möglichkeiten Sie bei der Gestaltung haben und wie Sie mit einer Schenkung Ihren künftigen Erben dabei helfen können, Steuern zu sparen.
Gorich / Shutterstock.com Ausgabe 21 / Mai 2025 9 Erbengemeinschaft - Kompliziertes Konstrukt mit Konfliktpotenzial Typische Konflikte in der Erbengemeinschaft Was sind die Nachteile einer Erbengemeinschaft? Das Mitspracherecht der Miterben einer Erbengemeinschaft trägt Konfliktstoff in sich. Die Auflage, Einstimmigkeit zu erzielen, kann eine Erbengemeinschaft jahrelang blockieren. Denn das Mitspracherecht ist nicht an die Erbquote geknüpft. „Auch wenn ein Miterbe nur zu einem minimalen Anteil erbt, ist er vollberechtigtes Mitglied der Gemeinschaft und hat damit ziemlich viel Macht“, sagt Rechtsanwältin Gesa Modersohn. Diese Möglichkeit der Blockade hat weitreichende Folgen. Denn solange eine Erbengemeinschaft sich nicht einig ist, kann die Erbmasse nicht verteilt und folglich die Gemeinschaft auch nicht aufgelöst werden. So steigen Sie aus einer Erbengemeinschaft aus Tatsächlich können Sie auch aus einer Erbengemeinschaft frühzeitig aussteigen. Es gibt die Möglichkeit, Ihren Erbanteil beispielsweise an einen Miterben oder eine Miterbin zu verkaufen. In der Praxis kommt dieser Fall aber selten vor. Tatsächlich können Sie Ihren Erbanteil mit allen Rechten und Pflichten auch an einen Dritten verkaufen – einen Investor. „Es gibt zunehmend solche Angebote“, sagt Rechtsanwältin Gesa Modersohn. Investoren kaufen sich aus wirtschaftlichem Interesse in Erbengemeinschaften ein. Oft geht es dann um Immobilienwerte, die externe Investoren locken. Die Miterben haben allerdings ein Vorkaufsrecht. Der Ausstieg aus einer Erbengemeinschaft kann sinnvoll sein, wenn: ` Dauerhafte Uneinigkeiten bestehen, die eine konstruktive Zusammenarbeit unmöglich machen. ` Dringender finanzieller Bedarf besteht und der Erbe seinen Anteil schnell zu Geld machen möchte. ` Hohe Verwaltungskosten entstehen, die der Erbe nicht tragen kann oder will. ` Der Erbe keinen Nutzen am Erbe hat, z. B. wenn es sich um eine Immobilie handelt, die er nicht nutzen oder instand halten möchte. Ein Ausstieg hat natürlich auch Nachteile. In der Regel wird ein Anteil für weniger Geld verkauft, als er tatsächlich wert ist. Wissen müssen Sie auch, dass Sie das Mitspracherecht in der Erbengemeinschaft verlieren, wenn Sie aus dieser aussteigen. Die künftige Nutzung und Verwaltung des Erbes liegen dann nicht mehr in Ihrer Hand.
Proxima Studio / Shutterstock.com Ausgabe 21 / Mai 2025 10 Erbengemeinschaft - Kompliziertes Konstrukt mit Konfliktpotenzial Erbengemeinschaft: So lässt sich Streit vermeiden Testament und Vermächtnis statt Streit Ein Testament gibt Ihnen die Möglichkeit, die Erbfolge individuell zu regeln und die Erbmasse individuell aufzuteilen. Grundsätzlich können Sie jede beliebige Person oder gar einen Verein ans Alleinerben einsetzen. Allerdings haben Ihre nahen Verwandten – Kinder oder Ehepartner – immer das Recht auf einen Pflichtteil, der stets halb so groß ist wie der gesetzliche Erbanspruch. Mit einem Testament lässt sich eine Erbengemeinschaft vermeiden. So können Sie zum Beispiel in einem Testament eine Person zum Alleinerben machen, während die andere Person ein Vermächtnis erhält. Dieses Konstrukt kann empfehlenswert sein, wenn zum Beispiel eine Immobilie zu vererben ist, die erhalten werden soll. Die Person, die das Vermächtnis erhält, wird auf diese Weise nicht zum gleichberechtigten Miterben und es gibt folglich keine Notwendigkeit, gemeinsame Einigungen zu erzielen. Fallbeispiel: Gehen wir davon aus, dass es nur zwei Kinder in der Familie gibt. Dann könnte ein Testament so formuliert sein: „Meine Tochter Anna erhält als Vermächtnis meine Wohnung in Frankfurt, während mein gesamtes Vermögen an meinen Sohn Ben geht.“ Dadurch wird Anna nicht Miterbin, sondern nur Begünstigte der Wohnung. Ben wird dagegen Alleinerbe. Eine Erbengemeinschaft wird nicht gebildet. Tipp: Im besten Fall möchte man als Erblasser seine Kinder gleichbehandeln. Damit das gewährleistet ist und zum Beispiel bei der Aufteilung der Erbmasse auch eine Wertsteigerung einer Immobilie berücksichtigt wird, sollte man sich juristisch beraten lassen.
Jacob Lund / Shutterstock.com Ausgabe 21 / Mai 2025 11 Erbengemeinschaft - Kompliziertes Konstrukt mit Konfliktpotenzial Teilungsanordnungen und Ausgleichsansprüche Sie können in einem Testament auch eine Teilungsanordnung festhalten und so bestimmen, wer welchen Erbschaftsgegenstand erhalten soll. Ein Testament ermöglicht es auch, Ausgleichsansprüche, die beispielsweise unter Geschwistern entstehen können, zu regeln. Fallbeispiel: Der Vater von Anna und Ben hat seinem Sohn Ben zu Lebzeiten Geld zukommen lassen, um einen Wohnungskauf zu realisieren. Das möchte der Vater bei der Erbteilung ausgleichen, so dass Anna nicht benachteiligt wird. Dabei ist auch der durch Inflation bis zum Todesfall eingetretene Kaufkraftschwund zu berücksichtigen. Beträgt der aktuelle Nachlass des Vaters zum Beispiel 100.000 Euro und hat der Sohn Ben wegen der früheren Zuwendung einen (inflationsbereinigten) Betrag von 50.000 Euro per Testament auszugleichen, so wird ein sogenannter Ausgleichungsnachlass aus dem Nachlasswert und dem Ausgleichungswert gebildet. Der Ausgleich berechnet sich dann wie folgt: Der Nachlass in Höhe von 100.000 Euro, plus der Betrag für den Sohn Ben in Höhe von 50.000 Euro, ergeben einen Ausgleichungsnachlass in Höhe von 150.000 Euro. Hiervon würde eigentlich jedes Kind die Hälfte erhalten, also 75.000 Euro. Da Ben bereits 50.000 Euro bekommen hatte, bleiben für ihn statt 75.000 nur 25.000 Euro. Die Tochter Anna erhält hingegen 75.000 Euro. Unter dem Strich haben dann beide Erben vom Verstorbenen zu dessen Lebzeiten und von Todes wegen genau dasselbe bekommen. Grundsätzlich können Sie ein Einzeltestament aufsetzen oder auch ein gemeinschaftliches Testament mit Ihrem Ehepartner oder Ihrer Ehepartnerin. Sie haben auch die Möglichkeit, einen Testamentsvolltrecker zu benennen, der sicherstellt, dass das Erbe so aufgeteilt wird, wie Sie es im Testament verfügt haben. Ein solcher Testamentsvollstrecker ist oft ein Jurist. Sonderfall: Berliner Testament Eine beliebte Testament-Variante ist das sogenannte Berliner Testament. Dabei setzen sich Ehepartner gegenseitig zu Alleinerben ein – die Kinder erben erst im zweiten Schritt, wenn auch der andere Elternteil verstorben ist. Diese Variante wird häufig gewählt, um den Ehepartner finanziell abzusichern. Im ersten Erbgang wird so eine Erbengemeinschaft vermieden. Im zweiten Erbengang, wenn die Kinder erben, entsteht jedoch eine Erbengemeinschaft.
Ausgabe 21 / Mai 2025 12 Erbengemeinschaft - Kompliziertes Konstrukt mit Konfliktpotenzial Erbengemeinschaft und Steuern Erbschaftssteuer: Was Erbengemeinschaften beachten müssen Erbschaften unterliegen in Deutschland der Erbschaftssteuer. In einer Erbengemeinschaft wird die Erbschaftssteuer individuell für jeden Erbe berechnet. Maßgeblich ist unter anderem der Wert des geerbten Anteils und nicht der gesamte Nachlass. Allerdings gibt es Freibeträge, die je nach Verwandtschaftsgrad variieren (Tabelle 1). Alles, was über dem Freibetrag liegt, muss – nach Abzug aller Verbindlichkeiten – versteuert werden. Je nach Verwandtschaftsgrad gelten unterschiedliche Steuerklassen (Tabelle 2). Tabelle 1: Diese Freibeträge gelten bei Erbschaften Verwandschaftsgrad Steuerklasse Freibetrag (in Euro) Ehepartner I 500.000 Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft I 500.000 Kinder, Stief-, Adoptivkinder sowie Enkel, deren Eltern bereits verstorben sind I 400.000 Enkel, deren Eltern noch leben; Urenkel I 200.000 Eltern und Großeltern I 100.000 Geschiedener Ehegatte, Geschwister, Neffe, Nichten, Schwieger-, Stiefeltern, Schwiegerkinder II 20.000 Verlobte, Lebensgefährten sowie alle übrigen III 20.000 Quelle: Erbschaftssteuergesetz (ErbStG), Stand: Mai 2025 Tabelle 2: Steuersätze bei Erbschaften – So viel Steuern zahlen Sie (in Prozent) Zu versteuernder Wert (bis Euro) Steuerklasse I Steuerklasse II Steuerklasse III 75.000 7 15 30 300.000 11 20 30 600.000 15 25 30 6.000.000 19 30 30 13.000.000 23 35 50 26.000.000 27 40 50 Darüber... 30 43 50 Quelle: Erbschaftssteuergesetz (ErbStG), Stand: Mai 2025
Ausgabe 21 / Mai 2025 13 Erbengemeinschaft - Kompliziertes Konstrukt mit Konfliktpotenzial Wer muss eine Erbschaftssteuererklärung abgeben und wie funktioniert das? Grundsätzlich ist jeder Miterbe verpflichtet, seine Erbschaft beim Finanzamt anzuzeigen – unabhängig davon, ob er oder sie alleine oder gemeinsam mit anderen Erben geerbt hat. Ob im Anschluss eine Erbschaftssteuererklärung abzugeben ist, entscheidet das Finanzamt für jeden Einzelfall. Die Anzeige muss innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis des Erbfalls abgegeben werden. In vielen Fällen meldet das Nachlassgericht oder die Bank den Erbfall aber auch automatisch an das Finanzamt. Tipp: In der Anzeige sind alle geerbten Vermögenswerte aufzulisten. Oftmals ist der Wert nicht eindeutig zu bestimmen, gerade wenn es sich um Sachgüter wie Schmuck oder Gemälde handelt oder auch eine Immobilie. Es empfiehlt sich häufig, einen Steuerberater hinzuzuziehen, um Fehler zu vermeiden. Liegt der geerbte Anteil eines Erben unterhalb des Freibetrags liegt, fällt keine Erbschaftssteuer an und es besteht in der Regel keine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung. Fallbeispiel: Anna, Ben und Carla erben gemeinsam 900.000 Euro. Ihre Erbquoten sind jeweils ein Drittel, also 300.000 Euro pro Person. Da der Freibetrag für Kinder 400.000 Euro beträgt, bleibt ihr jeweiliger Erbteil steuerfrei. In diesem Fall müssten sie alle drei keine Erbschaftssteuer zahlen, dennoch müssten sie ihre Erbschaft beim Finanzamt anzeigen. Quellen: Expertinneninterview: Gesa Modersohn, Rechtsanwältin für Erbrecht in Hamburg, Kanzlei ROSE&PARTNER, https://www.rosepartner.de/ Mustervorlage Erbauseinandersetzungsvertrag: https://www.ratgeber-erbengemeinschaft.de/beispiel-erbauseinandersetzungsvertrag-erbengemeinschaft.pdf Erbschaftssteuergesetz: Freibeträge: https://www.gesetze-im-internet.de/erbstg_1974/__16.html Steuerklassen: https://www.gesetze-im-internet.de/erbstg_1974/__15.html Bundesministerium der Justiz: https://www.bmj.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Broschueren/Erben_Vererben.pdf?__blob=publicationFile&v=14
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