Medienstunde - Ausgabe A2BCDE

8 Mittwoch, 26. Januar 2022 Schon früh etwas bewegen können Maren Idries und Lara Wagner absolvieren ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Koordinationsstelle Jugendpartizipation im Bildungsbüro der Städteregion Aachen. VON RAUKE XENIA BORNEFELD AACHENKeine Lust, von der Schulbank direkt in denHörsaal zuwechseln.Daswar einwesentlicherGrund für Maren Idries, nach ihremAbitur erst einmal einen Freiwilligendienst anzutreten: „Ich wollte gern eine Pause zwischen Schule und Studium.“ Gelandet ist sie zusammenmit Lara Wagner in der Koordinationsstelle Jugendpartizipation (JuPa) im Bildungsbüro der Städteregion Aachen. Die beiden jungen Frauen absolvieren dort ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) Politik. Interessiert hat sie diese besondere Ausprägung des FSJ, weil sie„gern mehr über Politik lernen“ wollten – und zwar nicht theoretisch, sondern ganz handfest. Und gleichzeitig wollten sie Altersgenossen motivieren, sich ebenfalls politisch zu interessieren. ImGrunde haben die beiden jungen Frauen den Auftrag, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ihre Teilhabemöglichkeiten nahezubringen sowie jugendpolitischen Gremien der Städteregion organisatorisch behilflich zu sein und sie untereinander zu vernetzen. Unterstützt werden sie dabei von Dörthe Hofmann, die nach ihrem eigenen FSJ Politik in der JuPa dort als studentische Hilfskraft angefangen hat. „Ichwar vorher schon parteipolitisch aktiv, aber erst hier habe ich die ganze Bandbreite der politischen Arbeit jenseits von Parteien kennengelernt. Und erlebt, dass die eigene Meinung nicht allein dasMaß aller Dinge sein kann“, berichtet sie. Als wichtigste Aufgabe obliegt der JuPa dieUnterstützung der Bezirksschüler*innenvertretung (BSV). Doch wenn Wahlen anstehen – und das sind in Laras und Marens Monaten mit der Bundestagsund Landtagswahl gleich zwei schwergewichtige Urnengänge – geht es auch darum, Jugendliche der Region darüber zu informieren, Begegnungen mit Direktkandidatinnen und kandidaten zu ermöglichen und damit ihre Bereitschaft, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen, zu fördern. Übrigens unabhängig vomAlter. Zur Bundestagswahl haben die drei bei der ersten U18Wahl in der Städteregion aus demStand 5000 Jugendliche unter 18 Jahren erreicht. „Fridays for Future hat öffentlichkeitswirksam bewiesen, dass Jugendliche gesellschaftspolitisch etwas bewegen können. Aber einflussreiche Partizipationsmöglichkeiten gibt es schon viel länger“, meint Dörthe Hofmann. „Die BSV schickt seit 2010 einen Vertreter oder eine Vertreterin in jeden Ausschuss des Städteregionstags, zwar ohne Stimmrecht, aber mit Redeund Antragsrecht.“ Und was bringt das den FSJlerinnen? Maren Idries hat schon drei Wochen nach FSJBeginn eine OnlineDiskussionmit allenDirektkandidaten der Städteregionmoderiert. Urnen mussten in der Städteregion verteilt, Auszählungen organisiert werden. Zusammen haben sie das Verfahren der Briefwahl erklärt – in einer Sprache, die Schülerinnen und Schüler verstehen. Sie bespielen die SozialenMedien und tüfteln an einem neuen Video über die Jugendbank. Sie beraten die BSV, organisieren städteregionale Tage für Schülervertretungen und suchen den Kontakt zu Schulen. „Es ist Projektmanagement oft unter hohem Zeitdruck. Zugleich stehen sie in regelmäßigem Kontakt mit Politikern und derVerwaltung. Da lernt man Konflikte auszuhalten und zugleich die Formzuwahren“, fasst die städteregionale Pressesprecherin, Barbara van Rey, zusammen. Zudem ist es Demokratiebildung pur. Ein realistischer Eindruck des Berufslebens, wie Lara Wagner findet, aber nichts, was die beiden abschreckt. „Wir können hier etwas bewegen“, sagt sie. Und Maren Idries meint: „Man bekommt hier das Vertrauen, dass wir es gut machen werden. Und man merkt, wie viele Möglichkeiten es gibt, gesellschaftlich gestalterisch zu wirken.“ Von der Schulbank nicht direkt in den Hörsaal: Maren Idries (links) und Lara Wagner (rechts) haben sich für ein FSJ Politik in der Koordinationsstelle Jugendpartizipation der Städteregion Aachen entschieden. Unterstützt werden sie von Dörthe Hofmann (Mitte). FOTO: FILIP CHIREA-HERMENEANU „Man bekommt hier das Vertrauen, dass wir es gut machenwerden. Undmanmerkt, wie vieleMöglichkeiten es gibt, gesellschaftlich gestalterisch zuwirken.“ Maren Idries, FSJlerin Die Idee, ein Jahr der Gesellschaft freiwillig zu dienen, hatte Hermann Dietzfelbinger, Rektor der Diakonissenanstalt Neuendettelsau und späterer Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, bereits 1954. Er hatte dabei vor allem die Diakonie als Einsatzfeld im Sinn, aber es gab schnell Nachahmer in der katholischen Kirche und in Verbänden der freienWohlfahrtspflege. Einen gesetzlich geregelten Freiwilligendienst in Deutschland können Menschen zwischen 16 und 27 Jahren seit 1964 ableisten. Der Bundesfreiwilligendienst (BFD) kam 2011 hinzu und ist auch Menschen über 27 Jahren zugänglich. Das „Gesetzzur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres“ von 1964 regelt bis heute die pädagogische Betreuung und soziale Absicherung der Freiwilligen sowie ihre Einsatzmöglichkeiten. Die meisten Einsatzstellen von FSJ und BFD finden sich im sozialen Bereich in Deutschland, dazu gehören Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser, Kinderheime, aber auch Kirchengemeinden und Jugendtreffs. Es gibt auch Freiwilligendienste im Ausland. Das FSJgibt es mittlerweile in verschiedenen Ausprägungen: Das FSJ Sport umfasst Einsatzstellen bei Sportvereinen, Sportinternaten, aber auch Kindergärten und Schulen. Ein FSJ Kultur kann man in Einrichtungen der Kultur (zumBeispiel Museen oder Archiven) absolvieren, das FSJ Politik in überparteilichen politischen Einrichtungen (zumBeispiel Jugendverbände, Gewerkschaften oder Gedenkstätten). Die Denkmalpflege organisiert in 16 Jugendbauhütten in 13 Bundesländern das FSJ Denkmalpflege. Zwei davon gibt es in Nordrhein-Westfalen. 1993wurdedas FÖJ – das Freiwillige Ökologische Jahr – ins Leben gerufen, in dem sich junge Menschen für Umwelt und Naturschutz engagieren. Heute gibt es nach Angaben des Fördervereins Ökologische Freiwilligendienste e.V. in ganz Deutschland mehr als 3000 FÖJ-Plätze bei etwa 50 Trägern. In ihrem Einsatzstellenfinder listet er 79 Stellen in Nordrhein-Westfalen auf, Träger ist bei allen der Landschaftsverband Rheinland (LVR). Nebender persönlichen Entwicklung, einer beruflichen Orientierung und ersten praktischen Erfahrungen bringt ein FSJ und FÖJ zusätzliche handfeste Vorteile: Beide werden als praktischer Teil für die Fachhochschulreife anerkannt. Wer also nach Klasse 11 das Gymnasium oder nach Klasse 12 die Gesamtschule verlassen hat, kann nach zwölf Monaten FSJ oder FÖJ an einer Fachhochschule studieren. Viele Universitäten und Hochschulen erkennen einen Freiwilligendienst zudem als Wartezeit bei zulassungsbeschränkten Studiengängen, als (Vor-)Praktikum oder Anerkennungsjahr an. (xen) Schon seit 1964machen jungeMenschen zwischen 16 und 27 Jahren Freiwilligendienst HINTERGRUND

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