Medienstunde - Ausgabe A2BCDE

3 Mittwoch, 26. Januar 2022 Wo die Arbeit nicht nur Theorie ist VON RAUKE XENIA BORNEFELD AACHEN Jamal und Majid streifen sich ihre grünen Arbeitskittel mit der Aufschrift„Tuwas GmbH“ über. Die beiden 17-Jährigen sehen jetzt nichtmehr wie Schüler aus, eher wie sehr junge Hausmeister. Sie sitzen auch gerade nicht im Unterricht in ihrer Schule, der Gesamthauptschule Aretzstraße in Aachen. Sie tragen stattdessen Streusalzsäcke und später noch Arbeitstische einer Grundschule in einen Transporter. Die Tu was GmbH ist eine Schülerfirma – allerdings ist hier das Arbeiten und Wirtschaften für Schülerinnen und Schüler nicht theoretisch. Sie arbeiten tatsächlich, erfüllen echte Aufträge und verdienen echtes Geld. Hilfe für die Zukunftsplanung „In der Tu was GmbH zeigt sich, was ein Schüler oder eine Schülerin kann. Manche laufen unverhofft zur Höchstformauf, andere erleben, was Arbeit bedeutet, wozu sie realistisch in der Lage sind undwas ihnen noch fehlt“, erklärt Lothar Grodde. Er ist Lehrer, aber viel freigestellt für die Belange der Tu was GmbH, die vom Jugendhilfeverein „Jugendliche powern ohne Gewalt e.V.“ getragenwird und eng an denGanztag der Hauptschule Aretzstraße angebunden ist. Grodde organisiert an der Schule die Arbeitskräfte, koordiniert die Aufträge, analysiert mit den Jugendlichen die Arbeitsergebnisse und berät sie in ihrer Zukunftsplanung. Jamal undMajid tasten sich noch an die Herausforderungen des Arbeitslebens heran. Wie lassen sich die Tische möglichst platzsparend und rutschsicher im Transporter verstauen?Wie sprichtmanmit dem Hausmeister der Grundschule, der den Transport-Auftrag erteilt hat? Undwiemit demeigenen Chef, Anleiter Erich Sander?Wie schnell und gründlichmussman eigentlich sein, um den zahlenden Kunden zufrieden zu stellen? „Man muss freundlich sein, darf nichtmüde oder langsam arbeiten, sondern motiviert“, weiß Jamal. Bisher hatten die beiden Jungs wenigVorstellung vomArbeiten, durch dieTuwas GmbH fühlen sie sich besser vorbereitet aufs Arbeitsleben. „Jetzt haben wir weniger Sorge.“ Pünktlichkeit trainieren Hauptschüler sind bei Ausbildungsbetrieben oft nicht die erste Wahl. Und sie haben auch nicht immer realistische Vorstellungen, welche Palette von Berufen ihnen tatsächlich mit ihrem Schulabschluss offen steht. In der Schülerfirma können sie erste Erfahrungen mit dem Arbeitslebenmachen, sich Berufsorientierung holen, Fähigkeiten wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit trainieren. „Das hier ist keine Spielwiese. Es ist wirklich und fühlt sich auch so an“, erläutert Grodde den Lerneffekt, den jeder Schüler und jede Schülerin imEinsatz derTuwas GmbH mitnimmt. Das verschafft ihnen einen Vorteil bei der späteren Ausbildungssuche. Die Aufträge kommen aus städtischen Einrichtungen und der privatenWirtschaft. Manchmal vergibt auch eine Privatperson einen Reinigungs- oder Renovierungsauftrag im eigenen Haushalt, braucht Umzugshelfer oder Bedienungen für eine Feier. Monatlich muss ein Anzeigenblatt inAachener Geschäften zur Auslage verteilt werden. „Solche Aufträge müssen vernünftig erledigt werden. Da schickenwir auch nicht jeden hin – das wissen die Jugendlichen“, so Grodde. Die Aussicht auf Bezahlung steigert die Motivation, sich anzustrengen – da ticken die Schülerinnen und Schüler der Hauptschule Aretzstraße nicht anders als Erwachsene. Schnippeln in der Küche Manchmal ist es aber auch die Lust am händischen Tun. Laura und Suzan schnippeln in der Küche der Schulmensa Tomaten, Paprika und Eisbergsalat. Serhat rührt im sprudelnd kochenden Wasser, damit die Spaghetti nicht zusammen kleben. Die Zehntklässler wurden vom Unterricht befreit, damit sie die Schulköchin, von allen nur liebevoll Frau Käthe genannt, beim Zubereiten des Mittagsmenüs unterstützen. „Das hier macht einfach mehr Spaß als Unterricht“, finden die beiden Mädchen. Nur aber wenn ihre schulischen Leistungen stimmen, können sie Kugelschreiber gegen Gemüsemesser, Taschenrechner gegen Suppenkelle tauschen. Helfen sie in ihren Pausen, können sie sich auch hier etwas dazu verdienen. „Schüler kochen für Schüler“ heißt das Projekt, das ebensowie die Tuwas GmbHdie Schülerinnen und Schüler auf die berufliche Zukunft vorbereiten soll. Nicht, weil sie alle Koch oder Köchin werden wollen. „Sie fügen sich ins Team ein, lernen den Ablauf und übernehmen Verantwortung“, erklärt Köchin Käthe Führer-Japs den pädagogischenAnsatz. Damit arbeiten sie schon jetzt an ihrer Zukunft. In der „Tu was GmbH“ der Gesamthauptschule Aretzstraße in Aachen lernen Schülerinnen und Schüler ganz praktisch das Berufsleben kennen – und verdienen sogar Geld dabei. Suzan (li.) und Laura schnippeln in der Schulküche Salat und übernehmen damit Verantwortung für das Mittagessen ihrer Mitschüler. FOTO: RAUKE BORNEFELD Majid (l.) und Jamal nehmen in der „Tu was GmbH“ den ersten Kontakt mit dem Arbeitsleben auf. FOTO: LOTHAR GRODDE „Das hier ist keine Spielwiese. Es ist wirklich und fühlt sich auch so an.“ Lehrer Lothar Grodde

RkJQdWJsaXNoZXIy MTk4MTUx